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Covid-19-Virus und Ibuprofen: Fakten oder fake news?

Die internationale Fachzeitschrift The Lancet Respiratory Medicine und WHO (1) überraschten mit der Warnung, daß Ibuprofen möglicherweise die Infektion und Verlauf der Erkrankung durch Covid-19 Viren bei Patienten mit diabetes mellitus verschlimmern könnte. Der Einsatz von Ibuprofen als – zugelassenes – Fieber senkendes Mittel wäre dann im Zusammenhang mit einer Covid-19-Virus-Infektion medizinisch bedenklich.

Ibuprofen und andere nicht-steroidale, entzündungshemmende Medikamente (NSAID) wie Aspirin, oder Diclofenac stünden im Verdacht, die Anbindungsdichte des Covid-19-Virus im menschlichen Körper zu erhöhen.

Viele Rheuma-Patienten, die Ibuprofen, oder Herz-Kreislauf-Patienten, die zur Blutverdünnung ASS-100 ärztlich verschrieben bekommen haben, sind verunsichert, ob sie durch die Einnahme ihrer Entzündungshemmer einer Erkrankung durch Covid-19 Viren nicht Vorschub leisten.

Covid-19-Viren binden im menschlichen Körper mutmaßlich an das Angiotensin-Converting-Enzym-2 (ACE2), einem auf zahlreichen Gewebezellen von Herzmuskel, Lunge, Niere, Verdauungstrakt expremierten Oberflächenprotein. ACE2 dient zur Inaktivierung der Bluthochdruck-Axe des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAS). Es gibt zahlreiche Medikamente, die zur Blutdruckkontrolle in das RAS eingreifen, und von vielen Patienten eingenommen werden. Ibuprofen soll – angeblich – ACE2 und damit die Anbindungsdichte von Covid-19-Viren im menschlichen Körper erhöhen.

Das Deutschen Ärzteblatt hat diese Ibuprofen-Warnung kritisch beleuchtet (2).

Der deutsche Virologe Professor Drosten wies auf mangelnde Evidenz der Ibuprofen-Warnung hin.

Eine genaue Analyse der ursprünglichen Mitteilung aus der Lancet Publikation zeigt auf, dass die Autoren Lei Fang, George Karakiulakis, Michael Roth ihre Warnhinweise über Ibuprofen und Covid-19 Virus voreilig aus präklinischen Daten von chinesischen erwachsenen Labor-Raten auf den Menschen übertragen hatten. Grundsätzlich können Versuche an Nagern erste Hinweise auf Wirkungen von Medikamenten geben, die – mit Einschränkungen – als Hinweis für weitere Forschungsarbeiten gelten können, sofern es sich um seriöse Forschungsarbeiten handelt.

Präklinische Untersuchungen aus 2015 über Ibuprofen und die Vermehrung von ACE2, das als Bindungsstelle für das Covid-19-Virus vermutet wird, haben die chinesischen Autoren Weili Qiao, Cheng Wang et al aus Nanking (VR China), im Karger Verlag (Basel-CH) veröffentlicht (3). Diese Publikation wurde mutmaßlich von den Lancet-Autoren 2020 für ihren Ibuprofen-Warnhinweis verwendet.

Die Forschungsarbeit der chinesischen Autoren aus 2015 bezieht sich auf erwachsene Labor-Ratten, bei denen durch das Medikament Streptozotocin die endokrine Pankreasfunktion zerstört wurde. Diese Versuchstiere können kein Insulin mehr produzieren, wie Diabetiker, bzw Zuckerkranke. Auf der Grundlage der Versuchstieranordnung wollten die chinesischen Wissenschaftler die Herzfunktionsstörung untersuchen, die durch den Mangel an Insulin beobachtet wird. Die diabetischen Versuchstiere – mit oder ohne Zugabe von Ibuprofen – hatten alle eine Gewichtsabnahme von mehr als 40%, ein Ergebnis, das beim zuckerkranken Patienten nicht beobachtet wird.

Die orale Zugabe von Ibuprofen haben die Autoren mit 40 mg/ kg / 24 Stunden angegeben, beim erwachsenen Menschen liegt die Dosis bei ca 10 mg / kg / 24 Stunden, das einer Tagesdosis von 800 mg bis 1200 mg entspricht, ohne dass mit ernsthaften Nebenwirkungen zu rechnen ist (4).

Völlig unklar sind die Ergebnisse über den publizierten, molekularchemischen Nachweis der Erhöhung des ACE2, der Bindungsstelle von Covid-19-Viren in den experimentellen Versuchstieren aus 2015. Denn die Vermehrung der Rezeptordichte von AEC2 unter der Einnahme von Ibuprofen könnte zur Schlußfolgerung führen, dass Ibuprofen der Invasion von Covid-19-Viren Vorschub leistet.

Das hätte dann bedenkliche Folgen für lungenkranke Patienten und Asthmatiker. Der Nachweis der ACE2-Erhöhung im Herz-Gewebe wurde mittels einer SDS-Gelelektrophorese und Western-Blott mit ACE2-Antikörperinkubation durchgeführt.

Die genaue Analyse der von den chinesischen Wissenschaftlern publizierten Ibuprofen-Daten zeigt jedoch, dass die SDS-elektrophoretischen Daten nachträglich bearbeitet worden sind.

Offenkundig sind elektrophoretische Nachweisedaten aus verschiedenen Analysen kombiniert worden, und dann als Ergebnis der Ibuprofen-Wirkung auf ACE2 publiziert worden. Diese Vorgehensweise ist bedenklich, und nur in Ausnahmefällen zulässig. Zumindest muß auf diese Vorgehensweise hingewiesen werden.

Darüber hinaus kommt es bei der 4-fach höheren Ibuprofen-Dosis (40 mg/ kg) bei den Versuchstieren nur zu einer gering gradigen Zunahme der ACE2-Rezeptordichte im untersuchten Herzmuskelgewebe. Fraglich ist das Ergebnis, wenn den Versuchstieren die Ibuprofen Dosis zugeführt worden wäre, die im menschlichen therapeutischen Bereich liegt, nämlich 10 mg/ kg.

Die gesamte, über SDS-Elektrophorese /Western-Blott publizierte ACE2-Rezeptordichte der zuckerkranken Versuchstiere, die mit Ibuprofen behandelt wurden, ist jedoch nur halb so groß, wie diejenige ACE2-Rezeptordichte der normalgewichtigen, gesunden, Versuchstiere.

Unter keinen Umständen darf übersehen werden, dass die publizierten Ibuprofen-Ergebnisse von erwachsenen Labor-Ratten stammen, die unter der Einwirkung von Streptozotocin ca 40% des Körpergewichtes verloren hatten (5), und die in der Humanmedizin vergleichbare Tagesdosis von ca 3.000 mg Ibuprofen erhalten hatten.

Dieser hohe Verlust an Körpergewicht in den Versuchstieren hat massive Auswirkungen auf den gesamten Metabolismus, pro-inflammatorische Cytokine wie Interleukin-1 , Interleukin-6 einschließlich der Reproduktionsfähigkeit der hypophysären Hormone, und ganz besonders Bluthochdruck mit der ACE2-Rezeptordichte, an die Covid-19-Viren binden können.

Abnahmen des Körpergewichtes ohne entsprechende körperliche Belastung werden in erster Linie durch pathologischen Metabolismus unter der Einwirkung von pro-inflammatorischen Cytokinen, insbesondere Interleukin-1 beobachtet, sofern keine Stenosen im Verdauungstrakt der Versuchstiere vorliegen.

Auf Grund der publizierten Daten über SDS-Elektrophoresen / Western Blott aus Herzmuskelgewebe von erwachsenen Labor-Ratten zuschließen, dass Ibuprofen die Rezeptordichte von ACE2 und damit die Bindung von Covid-19-Viren am Menschen erhöht, ist wissenschaftlich nicht zulässig, da es hierfür keinerlei Nachweise gibt.

Nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft (März 2020) ist die Beziehung zwischen Ibuprofen, ACE2-Rezeptor und Covid-19-Viren die gleiche wie zwischen Zinn und Zinnober.

Basierend auf den bekannten metabolischen Veränderungen bei Streptozotocin induziertem diabetes mellitus in erwachsenen Labor-Ratten sollten Ergebnisse über Interaktionen zwischen menschlichem ACE2-Rezeptorgewebe und Covid-19-Viren sehr vorsichtig kommuniziert werden, um eine Verunsicherung der Bevölkerung und der behandelnden Ärzte zu vermeiden.

Literatur
(1) Lei Fang, George Karakiulakis, Michael Roth (2020) Are patients with hypertension and diabetes mellitus at increased risk for COVID-19 infection? Lancet Respir Med 2020 Published Online March 11, 2020 https://doi.org/10.1016/PII, michael.roth@usb.ch Pulmonary Cell Research and Pneumology, Department of Biomedicine and Internal Medicine, University Hospital Basel, CH-4031 Basel, Switzerland (LF, MR); and Department of Pharmacology, School of Medicine, Aristotle University of Thessaloniki, Thessaloniki, Greece (GK);

(2) Keine Evidenz für erhöhte Gefährdung von COVID-19-Patienten unter Ibuprofen
Donnerstag, 19. März 2020
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111199/Keine-Evidenz-fuer-erhoehte-Gefaehrdung-von-COVID-19-Patienten-unter-Ibuprofen

(3) Qiao W, Wang C, Chen B, Zhang F, Liu Y, Lu Q, Guo H, Yan C, Sun H, Hu G, Yin X.(2015), Ibuprofen attenuates cardiac fibrosis in streptozotocin-induced diabetic rats.
Cardiology;131(2):97-106. doi: 10.1159/000375362. Epub 2015 Apr 15;

(4) Kellstein DE, Waksman JA, Furey SA, Binstok G, Cooper SA. (1999) The safety profile of nonprescription ibuprofen in multiple-dose use: a meta-analysis. J Clin Pharmacol. 39(5):520-32;

(5) Suthagar E, Soudamani S, Yuvaraj S, Ismail Khan A, Aruldhas MM, Balasubramanian K. (2008) Effects of streptozotocin (STZ)-induced diabetes and insulin replacement on rat ventral prostate. Biomed Pharmacother. Jan;63(1):43-50. doi: 10.1016/j.biopha.2008.01.002;

 

Dr Zierer
European Patent Attorney
The London Neurology and Pain Clinic Ltd
100 Harley Street
London W1J 7JA; UK

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